EuroComGerm - Basiskurs

 

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Hintergrundinformationen

Auch wenn man als SprecherIn des Deutschen einen niederländischen oder einen schwedischen Text nicht auf Anhieb versteht, so steht man ihm nicht ganz so fremd wie etwa einem persischen oder rumänischen Text gegenüber. Das liegt daran, dass das Deutsche wie das Niederländische und auch das Schwedische zu den germanischen sprachen gezählt werden, zusammen mit den anderen in diesem Kurs versammelten Sprachen und noch einigen anderen Sprachen und Sprachvarietäten (z.B. Färöisch, Afrikaans, Luxemburgisch, Jiddisch, Schweizerdeutsch, Dialekte). Sie lassen sich auf eine gemeinsame Vorform zurückführen, das - nicht überlieferte, nur erschlossene _ Indoeuropäische, haben die ersten Phasen der Entwicklung gemeinsam durchlaufen und sich alsd germanischer Zweig gemeinsam von anderen Zweigen des Indoeuropäischen, wie z.B. dem romanischen Zweig, in eine andere Richtung entwickelt.
Bedingt durch Völkerwanderungen, und Bildung von Siedlungs- und Lebensgrundlagengruppen trennten sich dann schon kurz nach der Zeitenwende Unterzweige heraus, die die Entstehung von Nationalsprachen, wie wir sie heute kennen, andeuteten. Die Entstehung von Nationalsprachen begünstigte (oder behinderte) dann vom frühesten Mittelalter an die Weiterentwicklung von Nationalsprachen die im Grunde erst mit Einführung des Buchdrucks und damit der Verbreitung von Manifestationen einer schriftlichen Varietät ermöglicht wurde. Bid dahin stand der Gebrauch von dialektalen Varietäten im Vordergrund, was den Handel und die überregionale Verständigung nicht im Weg gestanden zu habe4n scheint. Trotz allem bestand aber die Motivation zur Entwicklung und Durchsetzung von Standardvarietäten, deren Verbreitung mit der Erfindung der Buchdruckerei ermöglicht wurde.
Insbesondere durch Handelsbeziehungen und die direkte Kommunikation kam es immer wieder zu einem Austausch bzw. der Übernahme von sprachlichen Einheiten der jeweils anderen Sprachen; so lässt sich die Macht der Hanse auch im Bereich der Sprache an zahlreichen Lehrworten aus dem Niederdeutschen in den skandinavischen Sprachen nachweisen; derzeit erleben wir eine starke Aufnahmebereitschaft des Englischen in das Deutsche durch die Sprachteilhabe des Deutschen. Zu anderen Zeiten sind Einflüsse aus anderen Sprachen auf das Deutsche stark gewesen, was man z.B. noch an längst heimisch gewordenen Worten wie Portemonnaie, Demokratie, heroisch sehen kann. Gelegentlich ist dasselbe Wort zu unterschiedlichen Zeiten wiederholt übernommen worden und hat jeweils die Entwicklungsstufen durchlaufen, so dass Pfalz, Palast und Palaisim Deutschen vorhanden sind und alle auf das lateinische Palatium zurückgehen (wobei Palais allerdings über das Französische ins Deutsche kam).



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Diese Einfüsse kann man fast wie eine Gegenkraft zur grundsätzlichen Auseinanderentwicklung der Sprachen innerhalb eines Zweiges verstehen, und sie erleichtern oft das gegenseitige Verstehen.
Heute können wir die Lautverschiebungen, die die germanischen und die deutsche Sprache durchlaufen haben, benutzen, um uns Formen zu erschließen, z.B. können wir engl. pepper mit unseren Lautverschiebungskenntnissen ganz regelhaft als Parallelform von dt. Pfeffer (p im Anlauf zu pf; pp in der Wortmitte bzw. am Wortende zu ff erkennen. Das klappt nicht immer; auch wenn wir in engl. town die unterschiedliche Entwicklung des germanischen Lexems in dt. Zaun erkennen, heißt das ncoh nicht, dass wir semantisch auf dem richtigen Wege sind. Trotz allen können wir die gemeinsame semantische Wurzel "Besiedlung" deduzieren.
Kenntnisse, die sich nicht nur auf Lexikalisches begrenzen, das Wissen um grammatische Gemeinsamkeiten und ein Interesse daran, detektivisch Texte zu entdecken, sind die Grundlage für die Interkomprehension, die dem Konzept dieses Kurses zugrunde liegt. Diese Interkomprehension hat die rezeptive Mehrsprachigkeit zum Ziel, d.h. eine Lese- und Verstehenskompetenz in verschiedenen miteinander verwandten Sprachen. In den skandinavischen Ländern wird das schon lange praktiziert: Jede/r spricht die eigene Muttersprache und darf davon ausgehen, dass die Gesprächsteilnehmenden die anderen verstehen; vielleicht vermeidet man sehr spezifische Wörter, die nur in der einen, nicht aber in den anderen Sprachen vorkommen, aber im Wesentlichen funktioniert die innerskandinavische Kommunikation auf diese weise sehr erfolgreich. In Teilen der skandinavistischen Forschung wird diese Art des Diskurses Semikommunikation genannt, wobei das Präfix semi durchaus positiv zu verstehen ist.



© 2007 Britta Hufeisen und Nicole Marx